Es ist ein bisschen wie in der Kunst – ein tolles Bild kann durch seinen Künstler und dessen Persönlichkeit gewinnen, aber auch verlieren. Ich glaube daher rührt auch meine Faszination für die Designer hinter einem Produkt. Mich interessiert die Person, die dahinter steht, nicht die Herstellerfirma.
Inga Sempé sieht sich selber nicht als Künstlerin, generell will sie mit dem Hype, der um viele ihrer Kollegen gemacht wird, nichts zu tun haben. Dabei gehört sie schon seit einiger Zeit zu den angesagtesten Designern und entwirft für namenhafte Firmen wie Ligne Roset, Moustache, Alessi oder HAY.
Ihre Biographie liest sich wie ein Roman, auch wenn sie das wahrscheinlich nicht gerne hört. Inga Sempé wurde 1968 in Paris geboren, als Tochter von Mette Ivers, einer dänischen Grafikerin und Malerin und dem bekannten französischen Grafiker Jean-Jacques Sempé (Der kleine Nick). Die Kreativität liegt ihr praktisch schon in den Genen. Ihren Abschluss in Industriedesign machte sie 1993 an der ENSCI-Les Ateliers (Ecole Nationale Supérieure de Création Industrielle) in Paris. Nach ihrem Studium arbeitete sie vorerst für den australischen Designer Marc Newson (1994), sowie für die französische Designerin Andrée Putman (1997-1999). Ein Jahr später, im Jahr 2000, tritt sie zum ersten Mal als eigenständige Designerin auf und beginnt während ihrer Zeit in Rom ihre Zusammenarbeit mit den italienischen Designfirmen Cappellini und Edgar.
Noch im gleichen Jahr gründet Inga Sempé ihr eigenes Studio in Paris. Mit ihren gefeierten Entwürfen erarbeitet sie sich eine wichtige Position in einer sonst so männerdominierten Branche und gehört mittlerweile zu den 100 wichtigsten Designern unserer Zeit. Inga Sempé wurde mit verschiedenen Preisen geehrt, u.a. zweimal mit dem Red Dot Design Award „best of the best“ für ihr Polstermöbel MOËL (2007) sowie für das Sofa „Ruché“ (2010), beides für Ligne Roset.
Verheiratet ist sie mit keinem geringeren als dem ebenfalls sehr bekannten französischen Designer Ronan Bouroullec, mit dem sie auch zwei Kinder hat. Gemeinsam lebt die Familie in einer Wohnung über ihrem Studio im 10. Arrondissement in Paris.
Besonders bekannt geworden ist Inga Sempé für ihre außergewöhnlichen Lichtkreationen. Bei einem Sofa setzt der menschliche Körper dem Designer Grenzen, bei Licht ist das nicht der Fall, so die Designerin. Ihre Liebe zum Licht brachte ihr auch den Spitznamen „Madame Lampion“ ein und den Titel als beste Lichtdesignerin Frankreichs. Sie entwirft u.a. für Firmen wie Luce Plan oder Wästberg.
Wie es zu der Zusammenarbeit mit Wästberg gekommen ist, erzählt sie in einem Interview mit der FAZ. Die Geschichte ist so charmant, dass ich sie hier erzählen möchte. Inga Sempé war auf einer Messe in Stockholm und wollte unbedingt jemanden von Wästberg treffen, war aber zu schüchtern um am Stand jemanden anzusprechen. In den darauffolgenden Wochen kontaktierte sie Magnus Wästberg plötzlich von sich aus und sie verabredeten sich zu einem gemeinsamen Mittagessen. Er fragte, ob sie eine Idee hätte?! Und die hatte sie. Sie malte eine, wie sie sagt, ziemlich furchtbare Skizze auf eine Serviette, aber er verstand sofort wie es aussehen sollte und war begeistert. Es fühlte sich an wie ein Traum, sagt sie. Diese Geschichte ist so menschlich, sie macht für mich diese einzigartige Designerin so nahbar, so bodenständig und authentisch.
Bodenhaftung und Authentizität sind auch das Credo der Designerin – sowohl in ihren Entwürfen, als auch im richtigen Leben. Ihr Ziel ist es, Objekte zu erschaffen, die man in normalen Läden kaufen kann. Deswegen sieht sie sich auch nicht als Künstlerin, sondern als ganz normale Designerin, die normale Produkte für normale Menschen erschafft und nicht für die Vorzeige Lofts irgendwelcher Rockstars. In ihren Entwürfen steht Funktionalität, gute Verarbeitung und Gestaltung an oberster Stelle.
Liebe Inga Sempé, ob du es willst, oder nicht – du bist nicht normal, sondern eine sehr besondere Person, genau wie deine Entwürfe und Produkte, die für mich durch deine Authentizität nur noch mehr gewinnen. Und das schöne ist, dass sich ganz „normale“ Menschen wie ich, mit eben solchen Produkten auch ein Stück von dieser Einzigartigkeit einfangen können.